![]() |
Interview mit Christine Adams
Pferd von der anderen Seite ausgezäumt
Andreas Schmitz sprach für das
Leichtathletik-Online-Magazin
mit der Leverkusener Stabhochspringerin
10.06.2000
(as) Lange war es still um Christine Adams. Noch im Jahr 1996 wurde die
Stabhochspringerin zum zweiten Mal hintereinander Deutsche Meisterin, sie zählte
sogar zu den Top Ten der Welt. Dann fiel ihre Leistung kontinuierlich - bis zum
absoluten Tiefpunkt in der Saison 1998, die sie (auch aufgrund von
Verletzungsserien) frustriert abbrach. Neubeginn. In der vergangenen
Hallensaison nun meldete sie sich eindrucksvoll in der Deutschen Spitze zurück
- mit überquerten 4,40 Meter, nur vier Zentimeter unter dem Deutschen
Freiluftrekord.
steeple.de:
Nach
der desolaten 1998er Saison hat keine Deiner Konkurrentinnen mehr mit Dir
gerechnet. Jetzt bist Du wieder da, und zwar stärker als je zuvor...
Christine Adams:
Die
Hallensaison war mit der Silbermedaille bei den Europameisterschaften sicher
recht gelungen. Jetzt muss ich zusehen, dass ich die 4,40 Meter aus der Halle
auch unter freiem Himmel mindestens zweimal wiederhole - das wäre dann die
Quali für die Olympischen Spiele in Sydney.
steeple.de:
Du
klingst zuversichtlich. Hat die Krise Dich gestärkt?
Christine
Adams:
Auf
jeden Fall. Ich stand Ende 1998 vor der Wahl: Entweder hörst Du auf oder Du
nimmst Dich noch mal richtig zusammen. Hinzu kam, dass ich mein Sport-Studium
gerade beendet hatte und mein Verein mir auch kein Geld mehr zahlen wollte - die
Leistungen waren zu schlecht. Mit Sprüngen unter vier Metern ist das ja kein
Wunder. Nun habe ich mein Training umgekrempelt, mein Freund macht nun die
Trainingspläne. Plötzlich ging einiges einfacher - das war das Ende der
Sauer-Gurken-Zeit.
steeple.de:
In
dieser Saison hattest Du schon unter Lescek Klima trainiert, dem Bundestrainer
der Stabhochsprung-Herren - zuvor bei Deinem "Haustrainer" Claus
Schramme aus dem Heimatverein SUS 09 Dinslaken. Hat dieser Trainerwechsel den
Leistungsabfall verursacht?
Christine
Adams:
Lescek
ist ein hervorragender Trainer - er kennt einfach alle technischen Kniffe.
Allerdings hatte er, bevor ich bei ihm mit dem Training begann, kaum Frauen
trainiert. So habe ich vieles mitgemacht, das ursprünglich für die Männer
gedacht war - auch vom Trainingumfang her. Auffälligerweise wurde ich schon in
der ersten Saison unter Leszek nicht besser.
steeple.de:
Mitten
in der Krise hat Dein Studienkollege (und jetziger Lebenspartner) von der Kölner
Sporthochschule, der Zehnkämpfer Holger Wesseln, Dich zur Seite genommen und
gesagt: Pass mal auf, ich mach Dir mal einen Plan. Was hat er am Training geändert?
Christine
Adams:
Er
hat das Pferd von der anderen Seite aufgezäumt. Verlieren konnte ich sowieso
nichts mehr. Ich ging bei einem Leistungsdiagnostiker aufs Laufband - die Werte
waren schlecht. Das bestärkte mich darin, von Grund auf neu zu trainieren -
eine
konditionelle Basis zu legen. Ich begann mit einem Fitnessprogramm,
Tempowechselläufe, Ausdauertraining. Das hatte ich vorher noch nie gemacht.
steeple.de:
Dein
neuer Trainer Holger Wesseln hatte aber keine Spezialkenntnisse über den
Stabhochsprung?
Christine
Adams:
Lesczek
ist immer noch mein offizieller Trainer. Er ist für das Techniktraining nach
wie vor unentbehrlich und lässt mir glücklicherweise absolut freie Hand in
meiner sonstigen Trainingsplanung. Holger kommt zu dem Techniktraining meist mit
- Lesczek lehrt ihm, worauf man achten muss, wie man Fehler erkennt. Die beiden
haben sogar Videoanalysen gemeinsam gemacht. Inzwischen kennt sich Holger schon
recht gut aus.
steeple.de:
Deine
Hauptkonkurrentinnen Sabine Schulte, Yvonne Buschbaum, Nicole Humbert und Nastja
Ryshich haben Dich wieder auf der Rechnung. Wie schätzt Du Deine Chancen ein?
Christine
Adams:
Der
Stabhochsprung ist eine wackelige Disziplin. Da reicht eine Kleinigkeit, und der
Wettkampf läuft nicht so, wie man sich das vorstellt. Anders ist das beim
100-Meter-Lauf: Da knallt es, und Du rennst was das Zeug hält. Ich habe sicher
um einiges mehr drin als die 4,21 Meter, die ich kürzlich bei Nieselregen und Kälte
in Much (*bei Köln) beim Saisonauftakt gesprungen bin.
steeple.de:
Du
lebst ausschließlich für die Leichtathletik, trainierst sechs Mal in der
Woche, machst einen Teil der Pressearbeit für die Leichathletikabteilung von
Bayer Leverkusen, trainierst den Nachwuchs und arbeitest als freier Mitarbeiter
für das Verbandsorgan "Leichtathletik". Gibt es nichts anderes?
Christine
Adams:
Man
sollte das machen, was einem am meisten Spaß macht. Von der Leichtathletik
verstehe ich am meisten. Warum sollte ich etwas daran ändern?
Alle Rechte vorbehalten. Copyright by www.steeple.de